Interview: "Folgekosten schon bei der Immobilienplanung berücksichtigen“

Der Leiter des Zentrums für Immobilien- und Facility Management und stellvertretender Leiter des Departments für Bauen und Umwelt an der Donau Universität Krems Prof. DI Dr. techn. Helmut Floegl erforscht sämtliche Gebäudekosten vom Bau bis zum Abriss.

Seine Empfehlung: Wer schon bei der Immobilienplanung an sämtliche Lebenszykluskosten einer Immobilie denkt, kann sich langfristig betrachtet viel Geld ersparen.

Herr Professor, Sie befassen sich sehr intensiv mit dem Thema „Lebenszykluskosten von Immobilien“. Wie ist dieser Begriff genau definiert?

Prof. Floegl: Die Lebenszykluskosten einer Immobilie sind sowohl die Errichtungskosten (Kosten für die Planung und Errichtung des Gebäudes) als auch die Folgekosten (Kosten der gesamten Nutzung und auch die Abbruchs- und Entsorgungskosten). Dabei sind Lebenszykluskosten nicht bloß eine Gesamtsumme am Ende des Immobilienlebens, sondern eine große Kostentabelle, die aus allen Kostengruppen und Jahresintervallen besteht.

Sie haben eine wissenschaftliche Studie zum Thema Lebenszykluskosten von Immobilien erstellt. Wie kann man sich diesem Thema wissenschaftlich annähern? Beschreiben Sie bitte die Untersuchungsmethode.

Prof. Floegl: Die angesprochene erste Studie über Lebenszykluskosten, die 2009 abgeschlossen wurde, legte den Grundstein für eine aussagekräftige Anwendung der Lebenszykluskostenrechnung in der Praxis.

Die wissenschaftliche Arbeit bestand in der Entwicklung einer für alle Immobilien durchgängig verwendbaren Kostengruppensystematik für die Folgekosten. Für die Errichtungskosten gab es diese Struktur schon länger, sie ist in der ÖNORM B 1801-1 standardisiert. Die wissenschaftliche Studie legte die Grundlage zur Systematik der Kostengruppen für die Folgekosten. Nach Abschluss des Projekts floss diese Systematik dann 2011 in die ÖNORM B 1801-2 ein und ist seitdem Standard.

Wie lauten die Erkenntnisse aus der Studie?

Prof. Floegl:

1. Dass es wirklich möglich ist, standardisierte Lebenszykluskosten für unterschiedliche Immobilien, wie Bürogebäude, Wohnhausanlagen, Logistikgebäude ja sogar Einfamilienhäuser zu rechnen. Damit kann man Gebäude vergleichen und Lebenszykluskostentreiber erkennen.

2. Dass zusätzlich eine Standardisierung der Berechnungsmethode selbst notwendig ist, da viele Berechnungen trotz korrekter Kostengruppen in der Praxis nicht methodisch sauber gemacht wurden. Diese Anforderung wurde dann in Zusammenarbeit mit den Experten im Komitee ASI 240 als ÖNORM B 1801-4 festgeschrieben.

Nach wie vielen Jahren erreichen die Folgekosten einer Immobilie in Ihrer Studie dieselbe Höhe wie die Errichtungskosten?

Prof. Floegl: Es kommt darauf an, um welche Immobilie es sich handelt. Bei Wohngebäuden nach etwa 20 bis 40 Jahren, bei Bürogebäuden nach etwa 15 bis 25 Jahren, bei Krankenhäusern und Hotels nach etwa 7 bis 15 Jahren. Dabei gilt, dass bei steigendem Technisierungsgrad dieser Zeitpunkt nach vorne rutscht. Technik kostet und hat eine vergleichsweise kurze Bauteillebensdauer.

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Wie gut würden Sie das „Lebenszykluskosten-Management“ bei den von Ihnen untersuchten Immobilien bewerten? Wie sieht es im Idealfall aus?

Prof. Floegl: Im Idealfall wurde die Immobilie bereits lebenszykluskostenoptimiert geplant und gebaut. Bei bestehenden Immobilien kann ein strategisches Facility Management bzw. ein strategisches Asset Management durch kluges Betreiben und vorausschauendes Instandhalten eine langfristige Folgekostenreduktion bei gleichzeitiger Werterhaltung erreichen.

Welche Tipps haben Sie für neue oder künftige Bauprojekte? Was kann man schon beim Bau beachten, um künftige Lebenszykluskosten möglichst gering zu halten?

Prof. Floegl: Ich kann nur jedem Bauherrn und jedem Immobilienentwickler raten, eine facilitäre Planungsbegleitung möglichst früh einzusetzen, die schon vor der Entwurfsplanung Rahmenbedingungen für die Immobilie definiert. Im Stadium der Entwurfs- und Einreichplanung sollten schon Lebenszykluskostenprognoserechnungen durchgeführt werden, um die lebenszykluskostenoptimierte Variante zu ermitteln.

Was empfehlen Sie Immobilienbesitzern? Welche Maßnahmen können Eigentümer von älteren Immobilien setzen, um künftige Kosten vorbeugend zu reduzieren? Wie sieht ein kostenbewusstes und bestandschonendes Verhalten in der Praxis genau aus?

Prof. Floegl: Ich empfehle, die Grundsätze eines klugen und vorausschauenden Managements zu verfolgen. Geringe Folgekosten und bestandsschonendes Verhalten setzt ein „Mitspielen“ aller Beteiligten (Bestandnehmer, Eigentümer, Betreiber, Besucher) voraus. Dies erreicht man nur durch eine gute soziale Interaktion besonders mit den Bestandnehmern.

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